Auslaufmodell Anlageberatung? Vermittlermehrwerte gegen Billig-Broker
In der Serie InvestmentInsights betrachten wir aktuelle Themen, die die Finanzmärkte bewegen. In dieser Ausgabe erläutern wir, warum Finanzberater ihre zahlreichen Mehrwerte stärker erkennen und kommunizieren sollten, denn der Trend des Do-it-Yourself-Anlegens ohne Beratung ist ein wachsender Wettbewerber.
Frei von zentralen Vertriebsvorgaben und mit einer offenen Produktpalette ausgestattet stellen Finanzberater ihre Kunden in das Zentrum der Anlageberatung. Sie gehen auf die persönlichen Lebensumstände ein und ermitteln einen passenden Finanzplan, der in einem regelmäßig überprüften Fondsdepot mündet. Mit dem Aufkommen von Neobanken und -Brokern sowie dem wachsenden Interesse an ETFs (börsengehandelten Fonds) wird die individuelle Anlageberatung heute jedoch aus verschiedenen Richtungen in Frage gestellt.
Die Newcomer-Banken nutzen eine psychologisch wirksame Botschaft: Anstelle einer „teuren“ Beratung sollten Anleger ihre Investmentstrategie doch lieber selbst in die Hand nehmen. Einen kostengünstigen ETF auf den MSCI World – mehr braucht es nicht für die erfolgreiche Geldanlage. Was kann auch schon passieren? Ein Weltaktien-ETF liefert doch, quasi garantiert, seine historisch erzielten 7 % pro Jahr! Dazu noch ein NASDAQ-ETF und natürlich ein paar Tech-Aktien wie NVIDIA oder Tesla, schon ist das Portfolio in Eigenregie für die Zukunft ideal aufgestellt. Oder etwa nicht? Gerne verkaufen die Anbieter sich hin und wieder auch als Teil einer „Demokratisierung der Geldanlage“.
Die Message kommt an: Mehr als sieben Millionen Kunden zählen allein die 2014 und 2015 gegründeten Neobroker-Marktführer Trade Republic und Scalable Capital. Per App kann es in wenigen Schritten losgehen, und das so günstig wie nie. Depots und Sparpläne sind kostenlos, für Trades bezahlt man nur einen Euro. Wo also ist in dieser schnelllebigen und technisierten Welt noch Platz für die Anlageberatung, die nicht nur zeitaufwendiger, sondern auch noch teurer ist?
Eine seit 2001 jährlich vom US-Vermögensverwalter Vanguard durchgeführte Studie beschäftigt sich genau mit dieser Fragestellung: Was ist der Mehrwert der Finanzberatung? Vanguard nennt es „Advisor’s Alpha“ in Anlehnung an die Kennzahl „Alpha“, die den Mehrertrag eines Fonds zu seiner Benchmark angibt.1
Die Vermögensaufteilung (Asset Allocation) gehört, wie zahlreiche Studien und auch Erfahrungen erfolgreicher Investoren zeigen, zu den wichtigsten Einflussfaktoren auf Rendite und Risiko. Über 80 % der Rendite wird durch die Wahl der Anlageklassen bestimmt. Die Vermögensaufteilung besitzt kundenindividuelle Eigenschaften und ist damit für Anlageberater und Kunden eines der entscheidenden Instrumente, um die gemeinsam definierten Anlageziele zu erreichen.
Oftmals wird suggeriert, man könne mit ein, zwei ETFs den strategischen Planungs- und Anlageprozess abkürzen. Sehr vereinfacht betrachtet, mag das stimmen. Doch zeigt die Praxis, dass in Eigenregie verwaltete Depots mit der Zeit oft aus dem Ruder laufen, weil Kunden sie um diverse Themen- und Branchen-Investments, Einzelwertpapiere und Derivate ergänzen und dadurch verschlimmbessern. Damit steigt nicht nur die Komplexität im Depot, sondern vor allem die Verlustgefahr durch Klumpen und hohe systematische Risiken, die nicht angemessen Beachtung finden. Wer unter einem vermeintlich diversifizierten Depot eine Mischung aus MSCI World-, S&P-500- und Tech-ETFs versteht, besitzt in allen drei Vehikeln größtenteils die gleichen Aktien. Die Folge ist eine hohe Korrelation von 0,9 - 1,0, was nahezu einen Gleichlauf zueinander darstellt.
Tausende Aktien, ETFs, Derivate und dazu ein paar dutzend Kryptowährungen: Das Angebot der Neobroker und -Banken lässt Anlegerherzen höherschlagen. Dass die meisten Selbstentscheider den Kauf von ETFs, Aktien und Co. genau durchdenken, geschweige denn die Instrumente analysieren, ist mehr als fraglich. Extrem niedrige Handelsgebühren von einem Euro sowie Trading-Flatrates verleiten vor allem Nachwuchsanleger zu verlustreichen Impulstrades. In ihren Fokus rückt der Traum vom schnellen Geld, anstatt der langfristig orientierte Vermögensaufbau.
Der gravierende Unterschied zwischen Anleger- und Marktrendite, den eine Auswertung von Trade Republic für den eigenen Kundenbestand im Zeitraum 2019 - 2021 herausfand, ist somit leider nicht überraschend. Statt der Marktrendite von +18 % gemessen am Durchschnitt der aktiven Fonds oder +21 % pro Jahr gemessen am MSCI World Index erzielten Anleger im Median nur +7 % Rendite pro Jahr, obwohl sie hauptsächlich in Aktien und -ETFs anlegten.
Finanzberater helfen Anlegern dabei, den Produktdschungel zu navigieren und ihre Anlageziele konsequent zu verfolgen. Investmentberatern stehen Informationen zur Verfügung, beispielsweise direkt aus dem Fondsmanagement und von den Indexanbietern, die Privatanlegern nicht zugänglich sind. Eine intensive Analyse, sei es im Rahmen des eigenen Researchs oder mithilfe eines Maklerpools, ist essenziell, um die Produkte zu verstehen und einzuschätzen. Nicht zuletzt wissen Berater und ausgebildete Analysten genau, nach welchen Daten und Eigenschaften sie suchen müssen. Dieser Informationsvorsprung resultiert in einer durchdachteren und hochwertigeren Produktauswahl, wenn auch nicht automatisch immer in einer Outperformance.
Die Produktkenntnis und der Fokus auf langfristigen Vermögensaufbau schützt jedoch vor gravierenden Fehlentscheidungen und dem ständigen performanceschädlichen Handeln. Beratervergütungen stehen häufig in der Kritik – doch nicht sie, sondern ein prozyklisches, impulsgetriebenes Investieren mit kurzfristiger Perspektive sind das eklatanteste Risiko für Anleger. Die Tatsache, dass Hype- und Themeninvestments häufig negative kapitalgewichtete Anlegerrenditen aufweisen, bekräftigt diese These.
Die Portfolios der Selbstentscheider werden seltener in Form gebracht als durch Berater betreute Depots. Dadurch entstehen Klumpenrisiken, weil sich meist einzelne Anlageklassen, Branchen oder Regionen in der Realität deutlich besser entwickelt als das restliche Portfolio. Am Kapitalmarkt gibt es jedoch keinen Automatismus. In der Vergangenheit außerordentliche erfolgreiche Anlagestrategien können in Zukunft unerwartet schlecht abschneiden. Beispiele wie der japanische Aktienmarkt seit den 80er Jahren, Tech-Aktien nach der Dotcom-Blase oder Value-Aktien nach der Finanzkrise gibt es zuhauf.
Die Herstellung der durchdachten Ausgangs- oder Zielallokation (Rebalancing) besitzt dabei zwei besonders wichtige Funktionen: eine risikosenkende und je nach Anlageklasse sogar eine renditesteigernde Funktion. Werden Portfolios rebalanciert, verbleibt das Portfoliorisiko über die Zeit im ursprünglich angestrebten Bereich, was vor ausartenden Depotverlusten schützt. Kurzum: Die Geldanlage wird nicht ungewollt einseitig durch einen einzelnen Portfoliobestandteil dominiert und davon abhängig. Unsere Berechnungen zeigen z. B. für ausgewogene Aktien-Anleihe-Portfolios eine mehr als 10-prozentige Risikoreduktion.
Umso unterschiedlicher Investments sind, z. B. Value- und Growth-Aktien, desto wirkungsvoller ist ein Rebalancing. Der Vermögensverwalter Vanguard beziffert den jährlichen Mehrertrag durch Rebalancing auf bis zu 0,8 % pro Jahr, was bei einem historischen jährlichen Ertrag von etwa 4 % für ein ausgewogenes Portfolio, einen beachtlichen Zusatzertrag darstellt.
Geld anlegen ist emotionaler, als es sein sollte. Gerade in turbulenten und verlustreichen Marktphasen werden ursprünglich langfristig ausgerichtete Anlagestrategien häufig über Bord geworfen und Portfoliobestandteile verkauft. Meist geschieht das zu Unzeiten und ist damit besonders schädlich für die Anlegerrendite. Nach Verlustphasen erholten sich Aktien und Co. stets wieder und erklommen neue Kurshöhen. Da die Tage mit den größten Kursgewinnen am Aktienmarkt ironischerweise stets auf die Tage mit den größten Ausverkäufen folgten, ist es für Anleger leider allzu leicht, die besten Börsenphasen zu verpassen. Der entgangene Ertrag ist meist kaum noch aufzuholen.
Doch der psychologische Effekt der Verlustaversion, also dass Menschen Verluste als schlimmer wahrnehmen, als sie Gewinne im gleichen Umfang als positiv erachten, übermannt Anleger immer wieder. Dem Berater kommt somit die Rolle als Finanzcoach zu, der Kunden den Wert der Anlagedisziplin und eine langfristige Perspektive vermittelt. Das Verhaltenscoaching kann, insbesondere wenn Fonds oder ETFs nicht ständig prozyklisch ge- und verkauft werden, einen potenziellen Mehrertrag von 1,5% pro Jahr bewirken.1
Werden Portfolioänderungen an den Anlagezielen anstelle des Nachrichtengeschehens oder vermeintlich vielversprechenden Narrativen ausgerichtet, entstehen wirklich langfristig orientierte Investmentstrategien. Diese besitzen geringere Umschlagshäufigkeiten und dadurch auch geringere Transaktionskosten, Steuerimplikationen und vor allem weniger performanceschädliches Handeln. Welche Power der Zinseszinseffekt entfalten kann, wenn er ungestört von Timing Versuchen wirken kann, lässt sich in der vorangegangenen Ausgabe „Zeit ist Geld“ unserer InvestmentInsights nachlesen.
Die Geldanlage in Eigenregie war noch nie so einfach zugänglich wie heute, doch wird es dadurch kaum leichter, sie auch erfolgreich umzusetzen. Beratungs- und Produktkosten mindern die Anlegerrendite, das ist unstrittig. Doch findet die Geldanlage eben nicht mittels Fondsrechner unter Laborbedingungen statt. Zumal sich die Unwägbarkeiten beim Investieren unmöglich im Vorfeld vorhersagen lassen. Damit sind noch nicht
einmal unbedingt Kriege, Wirtschaftskrisen oder Pandemien gemeint, die kurzfristig natürlich große Einflüsse auf Wertpapierkurse nehmen, sondern allen voran das menschliche Verhalten, das Renditen dauerhaft mindert oder gar vereitelt.
Was viele Selbstentscheider unterschätzen: Am Kapitalmarkt ist Kontrolle eine Illusion. Um schlussendlich an den großartigen Renditechancen der Märkte partizipieren zu können, gelten vor allem zwei Regeln: Diversifiziert investieren und dabeibleiben! Portfolios in Eigenregie bieten zwar scheinbar mehr Freiheiten und Nervenkitzel als ein beratenes Depot, doch kann dies Anleger schlussendlich teuer zu stehen kommen. Ein guter Coach in Form eines Finanzberaters kann den Unterschied machen.
Für diese Unterstützung sollte sich niemand schämen, denn sie sagt wenig über die eigenen Fähigkeiten aus. Basketball-Legende Michael Jordan gewann seine sechs Meisterschaften erst, als er mit seinem Coach Phil Jackson einen kompetenten und erfahrenen Mentor bekam. Gute Anwälte vertreten sich vor Gericht bekanntlich nicht selbst und die Mannschaft des FC Bayern München ist ohne den passenden Trainer auch nur ein Schatten ihrer selbst.
Investmentberater sollten sich ihrem Mehrwert für die Kunden bewusst sein und diesen getrost stärker kommunizieren. Mit den eingangs erwähnten sieben Millionen Kunden besitzen Neobanken heute genauso viele Kunden wie §-34f-Berater, Tendenz stark steigend. Insbesondere bei Kunden jungen und mittleren Alters werden digitale Angebote zu Lasten der klassischen Beratung immer beliebter. Mithilfe moderner und effizienter Tools können Berater selbst kritischen Kunden ein Beratungserlebnis bieten, gegen das kein KI-Chatbot ankommt.
Mit durchdachten, rebalancierten Portfolios, die sorgfältig analysierte Fonds erstklassiger Manager enthalten, steht dem dauerhaften Anlageerfolg nichts mehr im Wege. Für Kunden, die den Vorteil erst einmal verstanden und erlebt haben, ist selbst der Schmerzpunkt Kosten höchstens noch eine Randnotiz.
Bei der Fonds Finanz erhalten Partner zur Unterstützung ein umfangreiches Research- und Toolpaket. Von einfach verständlichen Kapitalmarktinformationen über sorgfältig abgewogene Asset Allocations bis hin zu qualitativ selektierten Fondsempfehlungen mit detaillierten Analysen. Tools wie die EDISOFT Fondsanalyse und das Beratungstool Advisor’s Studio verschaffen Informationsvorsprünge und ermöglichen effiziente und professionelle Beratungsprozesse. Die Online-Vermögensverwaltung ComfortInvest der Fonds Finanz verbindet alle hier genannten Vorteile eines Finanzberaters mit der digitalen Welt in einem Produkt.
Quellen:
1 Vanguard Group Europe (2020): Der Wert von Beratung: 7 wertstiftende Komponenten im Überblick via https://www.de.vanguard/content/dam/intl/europe/documents/de/putting-a-value-on-your-value-quantifying-vanguard-advisers-alpha-eu-de-pro.pdf; abgerufen am 03.05.2024 09:50 Uhr.
2 Dimensional Fund Advisors (2024): Drei häufige Anlagefehler via https://www.dimensional.com/de-de/insights/3-common-investing-mistakes-de. Abgerufen am 03.05.2024 09:53 Uhr.
Daniel Arndt ist Abteilungsleiter des Kompetenzcenters Investment der Fonds Finanz. Er verantwortet die Bereiche Produktberatung, Serviceberatung sowie Portfoliomanagement und Analyse. Zuvor leitete Arndt das Fondsresearch der Fonds Finanz und das Portfoliomanagement der hauseigenen Vermögensverwaltung ComfortInvest. Er steuert selbst mehrere hauseigene Investmentstrategien und erstellt Markt- sowie Produktanalysen.
Seine Einschätzungen werden regelmäßig in den beliebten Fachmagazinen DAS INVESTMENT und FONDS professionell ONLINE veröffentlicht, für die der Investmentexperte als Gastautor schreibt. Bevor er sich der Fonds Finanz 2013 anschloss, durchlief er eine Banklehre, absolvierte den Studiengang zum Diplom-Volkswirt sowie eine Ausbildung zum Nachhaltigkeitsanalysten.
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