Reden ist Silber. Schweigen ist Gold.
Aktives Zuhören – ist Ihnen der Begriff schon einmal zu Ohren gekommen? Diese Fähigkeit führt schneller und effizienter zu einem positiven Verhandlungsergebnis. Immer noch neigen viele Vermittler und Berater dazu, beim Kundentermin das Gespräch an sich zu reißen. Und wundern sich, warum ihr Gegenüber trotz aller Argumente am Ende nicht unterschreibt. Wie durch aktives Zuhören zu mehr Abschlüssen und zufriedeneren Kunden kommen, erfahren Sie in diesem Beitrag. Die gute Nachricht vorweg: Aktives Zuhören lässt sich lernen.
Vom „Lautsprecher“ zum Kundenflüsterer: Drehen Sie ruhig mal runter. Nicht selten wähnen sich die „Lautsprecher“ weit vorn. Wer verkaufen möchte, der redet erst einmal, der preist an, der überzeugt – der überredet zuweilen sogar. Wlad Jachtchenko glaubt: Leiser ist weiser. Mit der leisen Fähigkeit des aktiven Zuhörens kommen wir viel schneller ans Ziel. Wir agieren achtsamer und empathischer. Und das lohnt sich, denn eine wertschätzende Kundenbeziehung ist kostbar – mindestens so kostbar wie Platin. Möchte man den anderen besser verstehen und auch selbst besser verstanden werden, ist das aktive und offene Zuhören das A und O der Verständigung. Erst wenn man versteht, was der andere denkt, können die eigenen Argumente auf fruchtbaren Boden fallen. Zehn Stufen des Zuhörens in unterschiedlicher Intensität hat Wlad ausgemacht. Was meinen Sie: Wo finden Sie sich wieder?
Zuhören ist nicht gleich Zuhören. Um zu verdeutlichen, wie unterschiedlich das Zuhören sein kann, hat Jachtchenko diese Unterschiede in griffige Bezeichnungen gepackt und unterscheidet zunächst einmal das antwortsüchtige Zuhören vom verstehenden Zuhören: Beim antwortsüchtigen Zuhören ist schnell klar, wer die Unterhaltung dominieren und lenken möchte. Es geht dem einen Gesprächspartner hier nicht wirklich um das Zuhören, sondern darum, möglichst schnell wieder selber zu sprechen. Der verstehende Zuhörer dagegen ist ein echter Zuhörer und schenkt seinem Gegenüber volle Aufmerksamkeit. Er nimmt sich selbst zurück, stellt sich auf den Redner ein, sammelt Informationen, stellt Fragen.
Das antwortsüchtige Zuhören lässt sich über sechs Stufen wie folgt einteilen und benennen:
Stufe 1 - vortäuschend - Ich tue nur so, als ob ich zuhöre.
Stufe 2 - kürzend - Ich höre kurz zu und unterbreche sehr schnell.
Stufe 3 - selektiv - Ich höre nur das heraus, was ich heraushören will.
Stufe 4 - übertrumpfend - Ich kann das Gehörte immer gleich überbieten.
Stufe 5 - egoistisch - Ich höre zu, um den Inhalt für mich selbst zu nutzen.
Stufe 6 - beratend - Ich reagiere ungefragt mit einem Ratschlag.
Ja, aber gemeint ist hier, dass der eine Gesprächspartner dem anderen belehrend und aufdringlich seine Lebensweisheiten präsentiert – und zwar ungefragt. Ein Besserwisser. Recht nah verwandt mit dem Rechthaber. Oder dem Angeber. So oder so kein gutes Mindset. Wir haben gelernt: Das antwortsüchtige Zuhören ist meist auch ein selbstsüchtiges Zuhören. Zeit, uns umzuprogrammieren.
Das verstehende Zuhören ist das richtige, das wertschätzende Zuhören. Wir ändern die Perspektive, weg von uns, hin zum Gegenüber. Wir möchten wirklich begreifen, was der andere sagt.
Hier definiert Wladislaw Jachtchenko vier weitere Stufen:
Stufe 7 - aufmerksam - Ich höre zugewendet hin, frage aber nicht nach.
Stufe 8 - aktiv - Ich wende aktive Techniken des Zuhörens an.
Stufe 9 - empathisch - Ich höre die Sachebene und registriere Gefühle.
Stufe 10 - helfend - Ich höre, was der andere wirklich braucht.
Erst ab der Stufe 8 werden konkrete Techniken des aktiven Zuhörens angewendet. Schauen wir hier einmal auf den Vermittleralltag: Nehmen wir an, Sie haben Ihrem Kunden ein Produkt – zum Beispiel eine Berufsunfähigkeitsversicherung – angeboten. Nun erläutert der Kunde, warum er diese Absicherung nicht möchte. Im Normalfall würden Sie jetzt vielleicht reflexhaft dagegen argumentieren. Hier kommt die „Erzähl-mir-mehr!“-Technik ins Spiel. Signalisieren Sie Ihrem Kunden auch und gerade bei Ablehnung, dass Sie mehr erfahren möchten, ermutigen Sie ihn, seine Gründe weiter auszuführen. Durch konkretes Nachfragen können Sie auch die tieferen Gründe nach und nach heben und dadurch den Kunden sehr viel besser verstehen.
Die Faustformel: Erst nachfragen, dann argumentieren. „Profiverkäufer stellen im Schnitt mehr als fünf Fragen und wissen, dass sie bei introvertierten Kundentypen sogar noch einmal mehr nachhaken müssen“, erläutert Wladislaw Jachtchenko und plädiert für eine „gelebte Fragenkultur“. Wenn Sie darüber hinaus nonverbale Signale wahrnehmen, die ihr Gegenüber über seine Körpersprache und seine Stimme aussendet, haben Sie eine weitere Stufe des verstehenden, aktiven Zuhörens erklommen.
Hat man beide Systeme des Zuhörens – das antwortsüchtige und das verstehende – einmal richtig erfasst, lassen sie sich prima auf die alltäglichen Kommunikationssituationen anwenden. Das braucht guten Willen und etwas Disziplin – privat am Frühstückstisch ebenso wie hinterm Schreibtisch im Beruf. Werden Sie also ein besserer Zuhörer – und damit ein Kundenversteher im allerbesten Wortsinne. PS: Hier noch ein kleiner Tipp von Wlad Jachtchenko (nicht ungefragt, wir haben darum gebeten): Hören Sie öfter mal Ihrer inneren Stimme zu. Verstehend versteht sich. Sie verrät Ihnen vielleicht, was Ihr nächster Schritt sein wird.
Bildnachweis: Xenia Kharmach